Archiv für den Monat November 2014

Westendstorie Storie

Draußen ist es nun dunkel. Oft.  Den ganzen Tag fast in diesem letzten Monat des Jahres.
Um wenigstens ein wenig Licht zu bekommen, spaziere ich in’s Freie.
Es ist ein heimeliges Gefühl, schon fast ein Weihnachtswunder im Tannenwald, entlang der noch nicht von Schnee erhellten Wege zu spazieren.
Der Geruch der klaren, kalten Luft macht Herz und Kopf frei.
In Nebelschwaden getaucht wirken Büsche und Sträucher wie fantastische Irrlichter.
Filigran wie Tänzerinen in einem Varieté stehen entblätterte Baumriesen. Die dunklen Silhouetten wirken beeindruckend zart und vermitteln mir ein Gefühl der Geborgenheit und Stärke, wie ich es sonst nur aus den Märchen von Rübezahl dem guten Waldgeist aus dem Siebengebirge kenne.
Durch den Wald schlendern, die Füße im raschelnden Laub vorwärtsbewegend, gehen die Gedanken ruhig rückwärts.
Zurück zu den Geschichten und Märchen meiner Kindertage.
Schnabelnasige Fabelwesen trieben ihr Unwesen, tanzten mit kleinwüchsigen Elfen zauberhaft durch den nebligen Dezemberwald.
Die Kälte steigt mir in die Glieder und ich beschließe umzukehren und heimzugehen.
Ich friere und träume von einer heißen Tasse Tee und kleinen Gebäckstücken mit Johannisbeer marmelade gefüllt.
Ein Eierlikör dazu versetzt mich in einen schläfrigen Dusel und Nachbars Katze schnarcht zufrieden neben mir auf dem Sofa.
Heim, schnell heim jetzt.

Advent

…kommt vom lateinischen adventus und bedeutet Ankunft.
Was die Religionen daraus machten, aus der Neuankunft des Lichtes nach dieser Zeit der Dunkelheit,  die Ankunft des Erlösers zu verkünden, sei jedem frei gestellt zu glauben oder nicht.
Advent ist für mich eine Zeit der Besinnlichkeit, des Innehaltens.
Die langen, dunken Abende lassen sich mit lesen und Kaminfeuer erhellen.
Meine Geschenke, die ich am Heilig Abend an meine Liebsten verteilen möchte, habe ich darum schon fertig verpackt im Schrank. An den nun folgenden Einkaufsorgien nehme ich nicht mehr teil.
Statt dessen sitze ich gemütlich mit dem Gärtnergatten am Kamin, trinke Tee und esse Stollen.
Meine Heimat ist das Vorerzgebirge.
Hier wird im Advent drauf los geschmückt was das Zeug hält.
Auch daran nehme ich nur im geringen Umfang, aber mit ganzer Liebe teil.
Unbedingt und in jedem Haushalt vorhanden ist, bevor am Heilig Abend der Weihnachtsbaum einzieht, ein Adventsstrauß.
Ohne geht auch bei mir nicht.
Allein der Geruch von frischem Nadelgehölz, der ihm entströmt, verbreitet Adventsstimmung.
Auf meinem Gartentisch, der auch im Winter auf der Terrasse nutzbar ist, lege ich mir alles bereit.

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Meine große Tanne hat mir Zweige geliefert, das dunkle Grün lockere ich mit dem helleren Grün von Koniferenzweigen auf.
In meinem Adventsstrauß finden sich oft Weihnachtssterne. Da der Strauß vier Wochen halten soll und in der vierten Woche noch so gut wie in der ersten aussehen muss , greife ich auf Kunstblumen zurück.
Diesmal sind die Weihnachtssterne weiß und natürlich aus Sebnitz.
An den Strauß werden verschiedenste Dinge gehangen. Von kleinen Engeln über Strohsterne bis zu Schokoladenglocken ist alles möglich,  ganz wie es gefällt.
Bei mir sind es Glassteine und kleine Weihnachtsbaumkugeln.

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Die Zweige werden unten am Stil von ihren Ästchen befreit (die Ästchen hebe ich auf, daraus wird noch ein weiterer Schmuck) und kommen in eine große Vase.
Das Bild ist leicht verwackelt, es ist kalt heute und ich zittere ein bisschen in der Kälte. Die Luft ist klar und eisig, es riecht nach Schnee, auf den ich mich sehr freue.
In die Zweige hinein stecke ich die Weihnachtssterne

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und nun ziehe ich mit meiner gefüllten Vase nach drinnen um.
Den Behang dekoriere ich an Ort und Stelle, so weiß ich am Besten wie er wirkt.
Nicht vergessen darf ich die Vase mit Wasser zu füllen, in vier Wochen würden die frischen Zweige sonst vertrocknen.

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Mir gefällt mein Strauß auch so gut, aber ein bisschen mehr Chi-Chi darf es an Weihnachten schon sein und darum kommen nun die Diamanten zum Einsatz.

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Natürlich sind sie echt. Aus echtem Glas.
Meine Tochter hat im vergangenen Jahr ihre Geschenke an uns liebevoll mit kleinen Weihnachtskugeln verziert und die hübschen, kleinen Gaskugel habe ich aufgehoben und sie finden ihren Platz am Strauß und schimmern zwischen den Diamanten hervor.

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Ein kleines Glöckchen ist auch dabei, ich bin sicher die Schaukelinhaberin hat ihre Freude daran.
Im ganzen Raum verbreitet sich Tannenduft, ich mache mir eine Kerze in der Laterne an, das Räuchermännel nebelt vor sich hin und in mir breitet sich stille Ruhe aus. Und Freude auf eine besinnliche, heimelige Adventszeit, die ich euch ebenso wünsche.

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Chemnitz, deine Häuser – Die Villa Zimmermann

Chemnitz hat schöne Seiten.
Mir fällt auf, dass fast immer ein Wermutstropfen dabei ist.
Es ist eine Arbeiterstadt, Geld war und ist knapp.
Nicht umsonst sagt ein Spruch :“ In Chemnitz wird das Geld verdient, das in Dresden ausgegeben wird“.
Von den „Großen“ natürlich. Die kleinen Leute arbeiten fast ausschließlich für den Lebensunterhalt.
Dabei hat es verheißungsvoll begonnen mit der Wirtschaft in Chemnitz.
Ein Wahrzeichen dafür ist die, in  unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs gelegene, Villa Zimmermann.

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Benannt nach ihren Erstbesitzer Johann Zimmermann ( 1820 – 1901 ).
1839 kam der nach Chemnitz und gründete hier die erste Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik.
Seine 1848 gebaute Fabrik war die erste Fabrik in Deutschland und auf dem Festkontinent zum Bau von Werkzeugmaschinen.
Chemnitz wurde zur Wiege des Deutschen Werzeugmaschinenbaus und war bis zum Ende des 2. Weltkrieges einer der wichtigsten Maschinenbaustandorte Deutschlands.
Das ein so mächtiger Mann entsprechend wohnen muss ist selbstverständlich.
Zimmermann beauftragte den Hannoverschen Architekten Otto Goetze mit dem Bau einer Villa für sich. Der war bekannt für seine Bauten im neogotischen Stil.
Die Neogotik greift auf den historischen Kunst-  und Architekturstil der Gotik zurück und erfreute sich im 19. Jahrhundert zunehmender Beliebtheit.

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In den Jahren1865 – 1867 wurde der Bau errichtet.  Bis 1884 wohnte Zimmermann – inzwischen Ritter von Zimmermann –  in der prachtvollen Villa,

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bis er sie 1884 an Julius Wolf verkaufte, der ein Hotel daraus machte.
Es erfolgt ein Anbau,  der dann das eigentliche Hotel Carola wurde.
Trotz der Lage am Hauptbahnhof bleiben Villa und Hotel von den Bombenangriffen auf Chemnitz am 5.März 1945 verschont.
Damit ist Chemnitz und Sachsen eines der wertvollsten Baudenkmäler neugotischer Wohnhausarchitektur in Sachsen erhalten geblieben.

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Zunächst für die sowjetische Militärverwaltung, die nach dem 2. Weltkrieg dort ihren Sitz hatte.
Ab den 1950er Jahren bis hin zur Wende befand sich das Hotel im Besitz der HO , die dort ein Hotel mit Restaurant betrieb.
Im Wintergarten der Villa Zimmermann direkt, gab es die besten Goldbroiler der Stadt (Goldbroiler sind gegrillte Hähnchen) in der Broilerbar und im Straßenverkauf. Mein Mann schwärmt heute noch davon.
Die Schönheit des Gebäudes verfiel mehr und mehr, mangelnden Mittel zur Erhaltung fielen in der DDR viele Häuser zum Opfer.

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Ich erinnere mich, einmal auf einer Weihnachtsfeier des Arbeitgebers meines Mannes, dort Gast gewesen zu sein.
Vom Charme des Hauses war nur ein Hauch zurück geblieben.
Die Feier fand allerdings im Neuanbau – dem direkten Hotel Carola also – statt.
Dies hatte nie den Zauber der Villa erreicht, inzwischen existiert es nicht mehr.
Doch dazu später.
Nach der Wende 1990 wurde das Hotel und Restaurant geschlossen und damit dem Verfall preisgegeben.
Der damalige Besitzer – die Volksbank Mittweida – ließ das Haus trotz Mahnungen weiter verfallen und so konnte Hausschwamm einziehen.
Während die Villa durch Fördermittel des Freistaates notgesichert wurde, verfiel der Neubau, das Hotel, zusehends.
Ein fehlendes Nutzungskonzept, der überhöhte Kaufpreis und ein dubioses Zugeständnis an den Neueigentümer der Villa ( der nur die Villa selbst erhalten wollte ) führten 2007 zum Abriss dieses Teils des Gebäudekomplexes.
Proteste Chemnitzer Bürgen blieben unerhört.
Was die Bomben des 2. Weltkrieges nicht geschafft hatten, was die mangelnde Instandhaltung zu DDR – Zeiten nicht erreichte, das wiedervereinigte Deutschland schaffte es.
Die Villa Zimmermann selbst wurde in 18 Monaten saniert und am 4.12.2008 in voller Schönheit neu eröffnet.

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Ein Kartoffelhaus und ein Tanzclub hielten Einzug.
In Chemnitz gibt es wenig Geld, das Projekt konnte nicht gut gehen. Zum auswärts essen und für Tanzvergnügungen reicht das Verdiente bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht.
Schon nach 1/2 Jahr erfolgte die Insolvenz und die Schließung.
Ein 2. Anlauf 1 Jahr später mißlang genau so kläglich.
2011 wurde die Villa Zimmermann, immer noch leer stehend, für 1 Million Euro zwangsversteigert.
Der neue Besitzer,  ein Chemnitzer Autohändler, wusste mit dem prächtigen Haus genauso wenig anzufangen.
Es stand weiter leer.
2013 wehte der Wind der Hoffnung.
Ein Investor aus Baden-Württemberg,  dem schon das Dresdener Cosel-Palais gehört, kaufte die neogotische Villa in der Absicht teuere Anwaltskanzlein dort einzurichten.
Als ich heute morgen – am 27.11.2014 –
wie jeden Tag vorbei ging, stand die wunderschöne Villa immer noch leer.
Chemnitz – deine Häuser!

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Denn wir halten es verdienstlich, / lobenswürdig ganz und gar,/ unsere Blumen glänzen künstlich,/ blühen fast das ganze Jahr oder Kunstblumen aus Sachsen

Johann Wolfgang Goethe
Faust II.Teil

Was Goethe sagt, kann nicht irrig sein, oder?!
Und so ist mein Lieblingsfenster im Winter mit Kunstblumen geschmückt.

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Mir gefällt es so sehr.
Dazu gibt es natürlich eine Geschichte.
Die Befüllung meines Lieblingsblumenkastens hat eine Grundausstattung.
Der Efeu und der Blauschwingel bleiben immer.
Jahreszeitenmässig gibt es dazu Ergänzungen.
Im Frühjahr Narzissen oder Hyazinthen, der Sommer schmückt sich mit Männertreu. Im Herbst ist das Bunt der Weinlaubblätter an der Mauer farbiger Rahmen.
Für die Wintermonaten verwende ich schon seit einigen Jahren Kunst – oder Seidenblumen als Schmuck.
Und diese kommen auch noch aus Sachsen.
Aber dazu später.
Blumen aus Seide gibt es schon seit rund 3000 Jahren.
Im Alten Testament werden sie erstmals erwähnt.
König Salomon soll sich der Liebe der Königin von Saba als würdig erweisen und das mit dem Lösen von Rätseln beweisen.
Eines der Rätsel ist folgendes:
Die Königin von Saba hat 12 Lilien aufstellen lassen.
Echte und künstliche Blumen.
Der König soll nun raten, welche echt sind und welche falsch.
Er öffnet das Fenster und die Bienen setzen sich nur auf die echten Blumen. So hat er das Rätsel weise gelöst, zu sehr ähneln für’s Menschenauge  künstliche Blumen den echten.
Gut gemachte Seidenblumen wirken täuschend echt.
Nur der Duft fehlt.
Deswegen parfümierten die Alten Ägypter ihre kostbaren Kränze aus Seidenblumen und machten sie damit zum fast perfekten Imitat.
Das sich dies nur die Vornehmsten leisten konnten ist klar.
(Die Freude die echte Blumen verbreiten, haben hoffentlich auch die Armen genossen.)
Auch im Rom der Antike sind Seidenblumen bekannt und beliebt.
Ob Kleopatra sie aus Ägypten mitbrachte?
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches geriet die Blumenmacherkunst in Vergessenheit.
Erst im frühen Mittelalter taucht sie wieder auf.
Die Nonnen in den Klöstern Italiens wollen die Haltbarkeit des Blumenschmuckes in den Kirchen verlängern und beginnen mit der Herstellung von Kunstblumen aus Seidenresten.
Das verbreitet sich schnell und so entstehen in den norditalienischen Seidenmanufakturen aus Resten die „welschen Blumen“.
Ab der Barockzeit und vor allem im Rokoko gelangt dieses Handwerk nach Böhmen und von dort nach Paris.
Die Modestadt fand Gefallen an dem Schmuck und ChiChi der künstlichen Blumen und so zogen sie ins Weltliche ein.
Für viele Frauen schuf die leichte Handarbeit eine Einnahmequelle.
Ausgewanderte Hugenotten brachten die Fertigkeit nach Berlin und Sachsen- Weimar.
Dass Kunstblumen in Goethe‘ s Faust auftauchen, dürfte mit seiner späteren Ehefrau Christiane Vulpius zu tun haben.
Ebendiese war eine von 50 Angestellten in einer Weimarer Papierblumenmacherei.
1834 trat Sachsen dem Deutschen Zoll Verein bei.
Ab nun mussten auf die immer noch zum Großteil aus Böhmen eingeführten Seidenblumen Zollgebühren bezahlt werden.
Diese Verteuerung führte zu Manufakturgründungen in den grenznahen Gebieten um Sebnitz und Neustadt.
Hilfreich dabei war, dass die Handweberei auslief, der mechanische Webstuhl trat gerade seinen Siegeszug an.
Die Frauen suchten und fanden neue Arbeit im Blütenmachen.
75 % der deutschen Kunstblumen an Hüten, Kleidern und im Knopfloch kamen damals aus Sachsen.
Als Paris sich 1870/1871 im Kriegszustand befand und es zu Lieferengpässen kam, setzte sich Sachsen gar an die Weltspitze in der Hersteller von Seidenblumen.
Nach 1928 ging die Mode neue, einfachere Wege und der Bedarf sank stark.
Im 2. Weltkrieg ruhte das Geschäft fast ganz, die meisten Händler und Warenhausbesitzer waren Juden.
Mehr muss dazu nicht gesagt werden, dieser schreckliche Krieg hat so viele Menschen und ihre Freuden vernichtet.
1953 wurden in der damaligen DDR im Raum Sebnitz – Neustadt rund 100 kleine Betriebe zum VEB Kunstblume vereinigt.
Die DDR versuchte u.a. mit Kunstblumen ihren Devisenbedarf aufzubessern.
Ein großer Teil der Produktion ging in’s kapitalistische Ausland.
Die Kunstansteckblumen für DDR Bürger waren aus Plastik.
Zum 8. März, dem Internationalen Frauentag, musste man eine Plasikansteckblume für 50 DDR – Pfennige erwerben. Es gab sie in allen fast allen Blumenarten.
Ich weiß noch wie ich einmal zu Fasching als Blumenmädchen ging.
Meine Mutter hatte mir ein weißes Röckchen aus glänzendem Stoff genäht und überall waren Plastikblumen mit einer Sicherheitsnadel angeheftet.  Für mich war das ein ganz herrliches Kostüm.
Und natürlich gab es zum 1. Mai eine rote Anstecknelke aus Kunststoff.
Bis in die 70ziger Jahre blieb Sebnitz
beliebter Produzent, danach hat Fernost die Macht übernommen und produziert billig.
Ob auch besser sei dahingestellt.
Die „Deutsche Kunstblume Sebnitz“
existiert weiter als Manufaktur.
In ihr hergestellte Blüten tragen einen Anhänger mit der Aufschrift „Kunstblume Sebnitz“ und sind nach wie vor die Schönsten und sehen täuschend echt aus.
Wem mein Blumenkasten nicht als überzeugendes Argument ausreicht, der kann sich vor Ort gern selbst überzeugen.
Es gibt eine Schaumanufaktur in Sebnitz und einen Rundgang, der die Herstellung erklärt, gibt es auch.
Man kann „Selberblümeln“ oder im Manufakturladen kaufen. Von der einfachen Blüte bis zum Hochzeitsschmuck gibt es alles.
Natürlich kann auch online gekauft werden und die Preise sind bezahlbar.
Sollte jemand besonders romantisch sein, die Manufaktur bietet an, den Hochzeitsstrauß aus künstlichen Blumen nachzubilden.
Für die Ewigkeit also.
Und auch die Queen hat schon Blumen aus Sebnitz an ihrem Hut gehabt.
Ich habe meine nur in meinem weihnachtlich geschmückten Blumenkasten.

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