Chemnitz, deine Häuser – Die Villa Zimmermann

Chemnitz hat schöne Seiten.
Mir fällt auf, dass fast immer ein Wermutstropfen dabei ist.
Es ist eine Arbeiterstadt, Geld war und ist knapp.
Nicht umsonst sagt ein Spruch :“ In Chemnitz wird das Geld verdient, das in Dresden ausgegeben wird“.
Von den „Großen“ natürlich. Die kleinen Leute arbeiten fast ausschließlich für den Lebensunterhalt.
Dabei hat es verheißungsvoll begonnen mit der Wirtschaft in Chemnitz.
Ein Wahrzeichen dafür ist die, in  unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs gelegene, Villa Zimmermann.

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Benannt nach ihren Erstbesitzer Johann Zimmermann ( 1820 – 1901 ).
1839 kam der nach Chemnitz und gründete hier die erste Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik.
Seine 1848 gebaute Fabrik war die erste Fabrik in Deutschland und auf dem Festkontinent zum Bau von Werkzeugmaschinen.
Chemnitz wurde zur Wiege des Deutschen Werzeugmaschinenbaus und war bis zum Ende des 2. Weltkrieges einer der wichtigsten Maschinenbaustandorte Deutschlands.
Das ein so mächtiger Mann entsprechend wohnen muss ist selbstverständlich.
Zimmermann beauftragte den Hannoverschen Architekten Otto Goetze mit dem Bau einer Villa für sich. Der war bekannt für seine Bauten im neogotischen Stil.
Die Neogotik greift auf den historischen Kunst-  und Architekturstil der Gotik zurück und erfreute sich im 19. Jahrhundert zunehmender Beliebtheit.

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In den Jahren1865 – 1867 wurde der Bau errichtet.  Bis 1884 wohnte Zimmermann – inzwischen Ritter von Zimmermann –  in der prachtvollen Villa,

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bis er sie 1884 an Julius Wolf verkaufte, der ein Hotel daraus machte.
Es erfolgt ein Anbau,  der dann das eigentliche Hotel Carola wurde.
Trotz der Lage am Hauptbahnhof bleiben Villa und Hotel von den Bombenangriffen auf Chemnitz am 5.März 1945 verschont.
Damit ist Chemnitz und Sachsen eines der wertvollsten Baudenkmäler neugotischer Wohnhausarchitektur in Sachsen erhalten geblieben.

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Zunächst für die sowjetische Militärverwaltung, die nach dem 2. Weltkrieg dort ihren Sitz hatte.
Ab den 1950er Jahren bis hin zur Wende befand sich das Hotel im Besitz der HO , die dort ein Hotel mit Restaurant betrieb.
Im Wintergarten der Villa Zimmermann direkt, gab es die besten Goldbroiler der Stadt (Goldbroiler sind gegrillte Hähnchen) in der Broilerbar und im Straßenverkauf. Mein Mann schwärmt heute noch davon.
Die Schönheit des Gebäudes verfiel mehr und mehr, mangelnden Mittel zur Erhaltung fielen in der DDR viele Häuser zum Opfer.

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Ich erinnere mich, einmal auf einer Weihnachtsfeier des Arbeitgebers meines Mannes, dort Gast gewesen zu sein.
Vom Charme des Hauses war nur ein Hauch zurück geblieben.
Die Feier fand allerdings im Neuanbau – dem direkten Hotel Carola also – statt.
Dies hatte nie den Zauber der Villa erreicht, inzwischen existiert es nicht mehr.
Doch dazu später.
Nach der Wende 1990 wurde das Hotel und Restaurant geschlossen und damit dem Verfall preisgegeben.
Der damalige Besitzer – die Volksbank Mittweida – ließ das Haus trotz Mahnungen weiter verfallen und so konnte Hausschwamm einziehen.
Während die Villa durch Fördermittel des Freistaates notgesichert wurde, verfiel der Neubau, das Hotel, zusehends.
Ein fehlendes Nutzungskonzept, der überhöhte Kaufpreis und ein dubioses Zugeständnis an den Neueigentümer der Villa ( der nur die Villa selbst erhalten wollte ) führten 2007 zum Abriss dieses Teils des Gebäudekomplexes.
Proteste Chemnitzer Bürgen blieben unerhört.
Was die Bomben des 2. Weltkrieges nicht geschafft hatten, was die mangelnde Instandhaltung zu DDR – Zeiten nicht erreichte, das wiedervereinigte Deutschland schaffte es.
Die Villa Zimmermann selbst wurde in 18 Monaten saniert und am 4.12.2008 in voller Schönheit neu eröffnet.

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Ein Kartoffelhaus und ein Tanzclub hielten Einzug.
In Chemnitz gibt es wenig Geld, das Projekt konnte nicht gut gehen. Zum auswärts essen und für Tanzvergnügungen reicht das Verdiente bei der Mehrheit der Bevölkerung nicht.
Schon nach 1/2 Jahr erfolgte die Insolvenz und die Schließung.
Ein 2. Anlauf 1 Jahr später mißlang genau so kläglich.
2011 wurde die Villa Zimmermann, immer noch leer stehend, für 1 Million Euro zwangsversteigert.
Der neue Besitzer,  ein Chemnitzer Autohändler, wusste mit dem prächtigen Haus genauso wenig anzufangen.
Es stand weiter leer.
2013 wehte der Wind der Hoffnung.
Ein Investor aus Baden-Württemberg,  dem schon das Dresdener Cosel-Palais gehört, kaufte die neogotische Villa in der Absicht teuere Anwaltskanzlein dort einzurichten.
Als ich heute morgen – am 27.11.2014 –
wie jeden Tag vorbei ging, stand die wunderschöne Villa immer noch leer.
Chemnitz – deine Häuser!

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55 Gedanken zu „Chemnitz, deine Häuser – Die Villa Zimmermann

    1. arabella50 Autor

      Und ein Froschinarium<3
      Ich würde dann bittw gern im Türmchen wohnen. Ein passendes Wappen für die dort wehende Fahne weiß ich – ein Frosch und eine goldene Kugel 😀 😀 😀 😀 😀 😀

      Antwort
  1. Reni

    Danke für die ausführliche Geschichte rund um die Zimmermann-Villa. Es wäre zu schade, wenn dieses schöne Gebäude verfallen würde. Zu lange sollten Häuser nicht leer stehn, das tut ihnen nicht gut.
    LG, Reni

    Antwort
  2. Myriade

    Spannende Geschichte. Offenbar hat man da das falsche Haus am falschen Ort erbaut und niemand wollte es haben. ODER, was natürlich viel wahrscheinlicher ist, gibt es da einen Schloßgeist, vielleicht eines von den kettenklingelnden Exemplaren ……. Vielleicht gibt es in Sachsen aber auch Bergmannsgeister mit Grubenlampen. Die stelle ich mir sehr dekorativ vor 😀

    Antwort
    1. arabella50 Autor

      Habe gerade einen von den Geistern mit Grubenlampe aus dem Sommerschlaf geholt. Er sagt, er war’s nicht.
      Ich kann auch eine der Glaskugeln am Adventsstrauß über die Zukunft der schönen Villa befragen.
      Liebe Grüße zu dir mein Sternchen.

      Antwort
  3. marliesgierls

    Ich bin immer ganz traurig, wenn ich solche architektonischen Werke leer stehen sehe. Aber denen, die das wirkliche Interesse daran haben, fehlt das Geld, und die anderen , die das schnelle Geld damit machen wollen, schätzen es nicht wert, meistens. Wir wohnen ja selber in einem Denkmal geschützten Haus, und das ist wirklich ein Sparschwein. LG Marlies

    Antwort
    1. arabella50 Autor

      Das kann ich mir gut vorstellen.
      Diese Villa ist mit hohen Kosten, zum Teil auch vom Freistaat, also mit am Ende Steuergeldern, saniert worden.
      Ohne funktionierenden Plan dahinter, dafür und für die Zwangsversteigerung zum Schleuderpreis und ihren jetzigen Leerstand fehlen mir die Worte.
      Dich grüße ich lieb.:-)

      Antwort
      1. Der Emil

        Physik ab 1985 bis zur Exmat wg. SED-Austritt. Lagerleitung Studentensommer 1987 in der Vetterstr. – da hab ich aber schon in der Matthesstraße gewohnt, fast am Ende stadtauswärts.

      2. arabella50 Autor

        Ich kenne die Matthesstraße gut, mein Arbeitsplatz ist nicht weit entfernt.
        Das dortige Jugendmodegeschäft und die Eisbude brachten Abwechslung, nicht wahr?
        Meine „wilde Zeit“ in Chemitz war von 1980-1983. Du erinnerst dich an die Schwesternschülerinnen aus Neukirchen?:-D 😀 😀 😀 😀 😀
        Wir waren auf jeder Party zu finden.

      3. Der Emil

        Also … JuMo? Nie gesehen. Ich wohnte am stadtauswärtigen Ende, hinter der Barbarossastraße noch und schon fast am Börsenanger, in der Nähe des berühmten Fleischers. Hinterm Haus übern „Bach“ war der Kohlenhof …

      4. arabella50 Autor

        Also ganz hinten…den Fleischer kenne ich nicht.
        Auf der Barbarossastraße stehen die schönen Jugendstilhäuser, die du sicher kennst. Eins davon triffst du hier bestimmt bald wieder.
        Liebe Grüße zu dir.:-)

  4. Toettchen

    Nun sei bitte nicht enttäuscht, aber mir gefällt dieses Haus nicht. Ich würde es nicht einmal Villa nennen, sondern Protzbau. Auch in den Zeiten, als dieses Haus gebaut wurde, gab es ansprechende Baustile und man musste nicht auf die Gotik zurückgreifen und diese quälen.
    Ich komme ja aus Westfalen, im größeren Sinne auch aus dem Ruhrgebiet. Dort gibt es sie auch, die Gründerzeitvillen. Meist sind sie gut erhalten, manchmal nicht. Darin wohnten jene Menschen, die aus der Arbeitskraft ihrer Arbeiter ihren immensen Gewinn zogen. Von ihnen spricht man heute noch. Was ist aber mit dem Arbeiter, der in der Fabrik nicht nur seine Seele, sondern eventuell auch seine Gesundheit verkaufte. Was geschah mit ihm, wenn er so schwach war, dass er nicht mehr arbeiten konnte. Gab es für ihn auch Häuser? Häuser, die vielleicht der Herr Zimmermann gebaut hat?
    Im Ruhrgebiet gab es Zechensiedlungen und Siedlungen der Stahlmagnate wie z.B. die der Familie Krupp. Die Zechensiedlungen wurden auch nicht aus sozialer Verantwortung gebaut, sondern um die Arbeiter an die Zeche zu binden. Mit dem Verlust des Arbeitsplatzes ging der Verlust der Bleibe einher. Friedrich Alfred Krupp produzierte hauptsächlich Rüstungsgüter. Eine der schönsten Siedlungen, die Margarethenhöhe in Essen wurde von ihm begründet. Er leitete zahlreiche soziale Maßnahmen ein. Heute sagt man, sein soziales Engagement war für die damalige Zeit revolutionär. Schaut man dahinter, so diente auch dies nur einem Zweck: willfähige Arbeiter, bis zur Kontrolle ob sie sozialdemokratisch oder im Interesse des Konzerns „bügerlich“ wählten.
    Ich beschäftige mich schon lange mit diesen Siedlungen (http://toettchen.eu/arbeitersiedlungen-im-ruhrgebiet-und-gruner-hering-gebraten/), ich möchte wissen, wie jene Menschen gelebt haben, die das alles erschaffen habe, durch die Kraft ihrer Arme. Menschen, die ihre Geschichte nicht bestimmen konnten, aber sie selber gestalteten. Gibt es oder gab es solche Siedlungen in Chemnitz auch? Das würde mich interessieren.

    Liebe Grüße Gerd

    Antwort
    1. arabella50 Autor

      Eine kluge Antwort, wie sollte sie mich enttäuschen.
      Ich sagte im Artikel ja, das Chemnitz eine Arbeiterstadt war und ist, in der der kleine Mann das Geld für die Großen verdiente und verdient.
      Die Villa als Zeichen einer Epoche halte ich für ein wichtiges Baudenkmal, das auch als mahnendes Denkmal gesehen werden kann.
      Mir persönlich gefallen die Prinzessinentürmchen sehr.
      Zu deiner Frage.
      Sozialer Wohnungsbau in Chemnitz ist ein schwieriges Thema.
      Es gibt Literatur über die katastrophalen Bedingungen für die Arbeiter.
      Viele wohnten zur Untermiete in kleinsten Wohnungen Armer. Dort mieteten sie sich für Stunden ein Bett zum schlafen.
      Ein wenig besser wurde das mit den Häusern, die für die Bahnmitarbeiter gebaut wurden.
      Hier bitte ich dich um Geduld.
      Chemnitz, deine Häuser soll eine kleine Reihe in meinem neuen Blog werden.
      Die Anfänge hier in diesem Blog gestalten den Übergang fließend.
      Für deine klugen Worte bin ich dir dankbar und grüße dich herzlich und voller Adventsfreude.
      Ute

      Antwort
  5. keinbisschenleise

    Doch, sie hat etwas diese Villa und erinnert mich ein wenig an Kirchen dieses Baustils.

    Traurig stimmt mich allerdings sofort, wenn ich lese, wie mit solchen Bauten über so viele Jahre umgegangen wurde.
    Warum kauft ein Mensch, der anscheinend gut betucht ist, erst solch ein Haus und lässt es dann ebenfalls weiterhin leer stehen? *Kopfschüttel.

    Danke für deine Einblicke in die Geschichte der Villa *Zimmermann
    und einen lieben Abendgruß

    Uschi ❤

    Antwort
  6. S. Meerbothe

    Ok, nehm ich. Wann darf ich einziehen?
    Hallo, liebe Blumenfee, ich Bedauern in Deinem Herzen seh.
    Dieses Haus ist wunderschön,
    es sollte nicht in Leere steh’n.

    Einen wunderbaren Abend für Dich, Deine Lilifee! :-*

    Antwort
  7. Silberdistel

    Ja, wenn Häuser Geschichten erzählen, das ist schon hochinteressant. Schade nur, dass bei dieser schönen Villa offensichtlich die Geschichte im Moment still steht. Hier gibt es leider auch einige solche hübschen Villen, um die es einem in der Seel wehtut.
    Liebe Grüße von der Silberdistel

    Antwort
  8. martinakunze

    Ganz wunderbar interessant, liebe Arabella. Toll. Danke dir!
    In Bezug auf Toettchens Anmerkungen möchte ich gerne sagen: Über Schönheit lässt sich immer diskutieren. Einen architektonischen Baustil abzuqualifizieren, weil es die Bauten für Herrschende waren, wird dem Haus nicht wirklich gerecht. Seien wir froh, dass wir noch hier und da solche Handwerkskunst zu sehen bekommen. Hier in meiner Stadt sind noch immens viele Jugendstilhäuser – wirklich zum Staunen und wahrlich ein Zeugnis wunderschöner Handwerksarbeit. Nicht nur, dass in ihnen uralte Geschichten wohnen. Da können sich die blinden und Spargroschen- Architekten der 60er Jahre mit ihrem Einheitsbrei nur hinter verstecken.
    Alles hat seine Geschichte, ob Arbeitersiedlung oder Jugendstil-Villa. Alles ist Zeugnis.
    Und ja schade, dass viele dieser Häuser verfallen und leer stehen.

    Antwort
    1. arabella50 Autor

      Der sehr geschätzte Herr Toettchen wollte wohl sein Interesse an den Arbeitersiedlungen bekunden. Dazu komme ich noch.
      Und auch zu deinen Jugendstilträumerein, von denen es ganz Zauberhafte in Chemnitz gibt.
      Herzeliges zu die.

      Antwort
  9. Kathrin Elbl

    Als ich jetzt alles über die Zimmermann Villa gelesen habe, kamen mir die Tränen. Ich bin als Kind jeden Tag dort ein und ausgegangen. Mein Vater war dort der Direktor der Hotel und Gaststättenorganisation. Wir haben viele Feste dort gefeiert. Leider alles vorbei. Schade

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